Vorweg: In diesem Beitrag geht es um die Sichtweise eines Online-Marketers. Natürlich sind für User weder Privacy- noch AdBlock gefährlich. Für das Online-Marketing und die korrekte Zuweisung der Conversion zu den Kanälen, dagegen schon.
Abgrenzung AdBlocker / Privacy-Blocker
Der Unterschied zwischen AdBlocker und Privacy-Blocker (oder auch “Tracking-Blocker”) ist fließend. Während AdBlocker ursprünglich dazu da waren nervige Banner auszublenden, fokussieren sich Privacy-Blocker auf die Privatsphäre der Nutzer. Inzwischen bieten jedoch auch fast alle AdBlocker Funktionen zum Schutz der Privatsphäre – reine Privacy-Blocker blockieren dagegen meist aber keine Werbemittel, sondern nur das Tracking – also die Wiedererkennung des Nutzers. Dies geschieht beispielsweise indem das Identifizierungsmerkmal, also z.B. das Cookie oder das Fingerprinting unterbunden werden. Die Unterscheidung ist wichtig für das nachfolgende Beispiel.
Bezahlter Blindflug
Interessant wird der Vergleich, wenn man die Funktionsweise von Ad- und Privacy-Blocker auf die Paid-Kanäle anwendet, bspw. auf Display- oder Retargeting-Kanäle.
Im Gegensatz zu einem reinen Privacy-Blocker verhindert ein AdBlocker bereits die Einblendung des Werbemittels auf einer Publisher-Seite. Das ist zwar ärgerlich, hat aber den “Vorteil”, dass dafür keine Kosten entstehen, denn wenn kein Werbemittel ausgeliefert wird, kann auch nicht geklickt werden. Ergo entstehen bei einer TKP- oder CPC-basierten Abrechnung in den meisten bekannten Fällen auch keine Kosten. Für die Online-Attribution stellt dies ebenfalls kein Problem dar – es gibt schlicht keinen Werbemittelkontakt. Der Streuverlust wird dadurch kompensiert, dass die Budgets auf andere User verteilt werden, die eben keinen AdBlocker installiert haben.
Komplizierter wird es aber bei Privacy-Blockern. Hier wird das Werbemittel i.d.R. ausgeliefert. D.h. der User kann damit “interagieren” (Impression, Klick,…) und somit zur Seite des Advertiser weitergeleitet werden. Genau hier greift nun aber der Privacy-Blocker ein. Er verhindert entweder das Setzen des Identifizierungsmerkmals (Cookie, Fingerprint) oder blockiert gleich die komplette Web-Analyse (z.B. Google Analytics, eTracker etc.).
Wird das Tracking komplett blockiert, entfällt der User somit vollständig der Web-Analyse – es wird weder eine Sitzungen noch eine Conversion erfasst.
Wird dagegen “nur” das Cookie blockiert, besteht die Gefahr, dass die Quelle des Traffics verloren geht (das hängt von weiteren Bedingungen ab, die den Umfang dieses Beitrags aber sprengen würden). Beispiel:
Ein Kunde gelangt über everysize zu einem Partner-Shop. Google Analytics erfasst die Quelle “everysize” (unter welchem Kanal auch immer es beim Partner-Shop definiert ist) und setzt ein Cookie für z.B. 30 Tage. Der Privacy-Blocker des Kunden greift aber ein und verkürzt die Lebensdauer des Cookies auf 24 Stunden. Der Kunde kauft nun aber nicht sofort ein. Nach 25 Std. besucht er den Shop erneut und tätigt nun seinen Einkauf. Da das GA-Cookie bereits wegen der kürzeren Laufzeit abgelaufen ist, wird ein neues Cookie erstellt – allerdings nun mit anderen Kanal (z.B. Search oder auch Direct, je nachdem wie der Kunde zu dem Shop gelangte). Der Einkauf wird dann dem entsprechenden Kanal zugewiesen und somit nicht dem initialen Kanal “everysize”. Somit verwässert der Kanal “everysize” (Sitzungen vorhanden aber keine Conversion)!
Einfluss auf die Skalierungs-Entscheidung
Das Problem bei Privacy-Blockern ist, dass man den Traffic erhält und somit auch bezahlt, die KPIs aber verfälscht werden. Angenommen 10% des Traffics aus einem Paid-Kanal gehen auf diese Weise verloren und landen stattdessen in Direct (oder einem anderen Kanal) – dann wird der Kampagnenerfolg auch um 10% geschmälert. Das führt dazu, dass die Paid-Kanäle bei der Analyse unterbewertet werden. Im schlimmsten Fall läuft eine Kampagne dadurch vermeintlich negativ und wird bei der Skalierungs-Entscheidung falsch beurteilt. Im Worst-Case wird eine gut laufende Kampagne dadurch eingestellt!
“Wer nutzt bitteschön Privacy-Blocker?”
Diese Frage wurde mir tatsächlich mal gestellt – die Person implizierte aufgrund der Wortähnlichkeit zu “AdBlocker”, dass es sich hierbei um eine Art Browser-Extension handelt, die sich der User selbst installiert. Dem ist aber nicht so. Privacy-Blocker werden nicht vom User selbst installiert – er bekommt sie quasi frei-haus von seinem Browser mitgeliefert. Die bekanntesten Privacy-Blocker sind Apple ITP und Firefox ETP und sie sind bereits fester Bestandteil im Safari und Firefox.
Seit sich die Browser-Hersteller dem Datenschutz verschrieben haben, ist regelrecht ein Wettbewerb um Privacy-Lösungen entbrannt:
- Seit iOS 11 hat Apple in Safari ein “Intelligent Tracking Prevention (ITP)” integriert und es kontinuierlich verschärft. So werden z.B. Cookies von Trackern auf 1 Tag verkürzt. Siehe “Wie funktioniert Apples ITP? (DE)” oder “What is ITP and how does it work? (EN)”.
- Mozilla liefert seit Version 67 das “Enhanced Tracking Protection (ETP)” mit aus und aktiviert es inzwischen als standardmäßig. Stellt man die Schutzmaßnahmen auf “Streng” wird z.B. auch Google Analytics komplett blockiert. Aktuell werden die Schutzmaßnahmen zwar noch mit “Standard” ausgeliefert – es ist aber vermutlich nur eine Frage der Zeit bis der Default-Wert “Streng” sein wird. Siehe “Firefox Trackingschutz im Faktencheck [..] (DE)”Mozilla flips the default switch on Firefox tracker cookie blocking (EN)
- Diverse kleinere Browser-Anbieter versuchen vor allem mit dem Thema Datenschutz und entsprechenden Privacy-Lösungen zu punkten, um Marktanteile zu gewinnen. Darunter z.B. Brave, Opera, Vivaldi oder Cliqz.
- Selbst Google, obgleich mit dem größten Interessenkonflikt, verbessert (notgedrungen) die Privacy-Einstellungen in Chrome . Siehe “Google strengthens Chrome’s privacy controls (EN)”
Privacy-Blocker sind also nicht etwas was erst noch kommen wird – sie sind bereits da und wir Online-Marketer stecken mitten drin. Auch die Aussichten sind nicht sonderlich rosig – so arbeitet Apple bereits an ITP 2.4 und auch andere Hersteller werden höchstwahrscheinlich ihre Privacy-Lösungen weiter verschärfen, siehe “OMR: Browser-Wars [..] (DE)”,” OMR: Cookiecalypse [..] (DE)” oder “Cookie-Tracking vor dem Aus [..] (DE)“.
60% nutzen doch sowieso Chrome
Noch hat Chrome, mit einem weltweiten Marktanteil von über 60%, die lockersten Privacy-Einstellungen. Die Frage ist allerdings wie lange noch. Einerseits steigt der Druck nachzuziehen, andererseits wachsen Privacy-fokussierte Browser womit man zumindest ansatzweise ein User-Interesse an dem Thema erkennen kann.
Nichtsdestotrotz gibt es das Privacy-Blocking Problem auch jetzt schon bei Chrome – und zwar in Form von Browser-Extensions. Wie anfänglich erwähnt beinhalten inzwischen fast alle AdBlocker auch Tracking-Protection-Lösungen. Allein die vier größten Anbieter AdBlock, AdBlock Plus, uBlock und Ghostery kommen nach den Zahlen des Chrome web store auf dutzende Millionen Installationen.
Es ist also nicht die Frage ob Privacy-Blocker kommen, sondern wann sie jeder hat und wie stark diese das Tracking beeinflussen. TIP: Melde dich für den everysize TechTalk-Newsletter an um über Updates informiert zu werden.