Jeder von uns Online-Marketer kennt ihn und jeder von uns hat ihn schon einmal genutzt – der “Privat-” oder “Inkognito”-Modus. Im Privat-Modus des Browser surft man ohne dauerhaft Spuren zu hinterlassen. Der Browserverlauf und Formulardaten werden nicht gespeichert und Cookies, sowie Webseitendaten werden nach dem Beenden der Anwendung gelöscht. Soweit ist alles bekannt – doch welchen Einfluss hat der Privat-Modus auf die Attribution der Conversions und vor allem, wie verbreitet ist dessen Nutzung?
Weiter verbreitet als gedacht
Laut einer 2017 von duckduckgo durchgeführten Studie (“PDF: A Study on Private Browsing: Consumer Usage, Knowledge, and Thoughts“) kennen 46% von 5.700 befragten US-Bürger den “Private Browsing Mode”. Davon nutzen ihn 33% täglich und 25% mindestens einmal wöchentlich (je Desktop + Mobile)- sprich ¼ der Befragten nutzen ihn zumindest regelmäßig. Interessant: die Nutzung auf Desktop und Mobile liegt in etwa gleich auf.
Auch die Gründe für die Nutzung des Privat-Modus sind sehr aufschlussreich – immerhin 25% gaben an ihn explizit beim Einkaufen zu nutzen:
Diejenigen die ihn täglich nutzen, nutzen ihn deutlich häufiger für “Generelle Suchen” und beim Shopping:
Auf ein ähnliches Ergebnis kommt auch Taboola in einem Blog-Beitrag von 2019 – interessant ist hier die Erkenntnis, dass Deutschland wohl die höchste Nutzungsrate des Privat-Modus aufweist:
Der Cookie-Killler
Zunächst muss man wissen, dass der Privat-Modus gar nicht so privat ist wie man denkt – in der Studie von duckduckgo wird im weiteren Verlauf auf die Fragen eingegangen was die Nutzer denken und was er tatsächlich bietet. Eine gute Zusammenfassung was er ist und was er nicht ist, gibt es hier: “Private Browsing – What It Is & What It Isn’t“
Kurz zusammengefasst: Der Privat-Modus bietet KEINEN Schutz vor Tracking – zumindest nicht so, wie man es erwartet. Im Privat-Modus können nämlich Cookies ganz regulär gesetzt und auch ausgelesen werden – der einzige Unterschied zum normalen Browser-Modus ist, dass diese zeitlich limitiert auf die Lebensdauer der Anwendung sind. Sprich, schließt ein Nutzer den Browser ODER den Tab, werden die Cookies gelöscht. Besucht der User die Seite erneut, erhält er eine neue Session und somit neue Cookies. In manchen Fällen, wie z.B. im Safari unter iOS werden die Cookies auch regelmäßig gelöscht wenn eine Seite länger offen ist und man das Smartphone über Stunden hinweg nicht nutzt.
Warum beeinflusst das die Attribution?
Da im Privat-Modus die Lebenszeit der Cookies vom Browser bzw. vom User beeinflusst werden, steigt das Risiko, dass sie “verloren” gehen. Das Ergebnis ist, dass der Nutzer eine neue Session erhält und damit die Information woher er stammt ebenfalls verloren geht. In Google Analytics (und allen andere Web-Analyse Systemen) wird der User dann einem anderen Kanal als dem ursprünglichen zugeordnet (Direct, Other oder ggf. Referal), womit im Falle einer Conversion die Attribution wie bereits bekannt verfälscht wird.
Beispiel: Ein User surft im Privat-Modus und klickt auf eine Facebook-Anzeige. Er wird zum Shop weitergeleitet inkl. UTM-Parameter. Google Analytics erfasst die Impression und weist den Aufruf korrekt dem Kanal Facebook zu. Der User surft im Shop umher, kauft aber nicht direkt ein, sondern schließt den Tab oder legt schlicht sein Smartphone zur Seite (im Falle von Safari/iOS). Am Abend besucht er den Shop (erneut im Privat-Modus) und tätigt nun seinen Einkauf. Im normalen Browser-Modus hätte der Kunde nun i.d.R. ein Cookie, womit Google Analytics den Einkauf dem Kanal Facebook zuweisen würde. Im Privat-Modus wurden aber alle Cookies durch das Schließen des Tabs gelöscht. Somit ist der Kunde für Google Analytics ein komplett neuer User der den Shop direkt besucht hat. Ergo, wird der Besuch und vor allem der Ecommerce-Umsatz einem anderen Kanal (vermutlich “Direct”) zugewiesen.
Der Kanal Facebook wird also geschwächt, da der Besuch zwar erfasst wird, aber die Conversion nicht dem Kanal zugeordnet werden kann. D.h. “Direct” wird auf Kosten aller anderen Kanäle immer profitabler je mehr User den Private-Modus verwenden.
Absichtlich oder Unwissentlich – das Ergebnis ist dasselbe
In meinem nächsten Beitrag “Warum Paid-Kanäle auf Mobile besonders schlecht konvertieren.” (Teil 4) werde ich einem Mythos auf den Grund gehen (oder zumindest ein wenig entkräften). Beginnen möchte ich damit aber bereits an dieser Stelle im Kontext des Privat-Modus.
Neben der Variante den Privat-Modus gezielt für eine einzelne Aktion zu öffnen (z.B. für einen Einkauf oder für “sensible Suchen”), gibt es ein weiteres Anwendungsszenario, dass für Probleme sorgen kann: Die dauerhafte Nutzung des Privat-Modus.
Während auf dem Desktop dies nur nach expliziter Einstellung möglich und bei manchen Browser sogar recht umständlich ist, ist es auf Mobile dagegen für viele völlig normal dauerhaft im Privat-Modus zu surfen. Viele User wechseln einmal in den Privat-Modus und vergessen dann dass sie diesen weiterhin nutzen – oder sie bleiben absichtlich darin. Auf Mobile wird auch KEINE neue Browser-Anwendung/-Fenster geöffnet, sondern die aktuelle Browser-Instanz bleibt einfach offen. Auf iOS wird der Privat-Modus sogar nach dem kompletten Schließen des Safari erneut geladen, wenn dieser zuletzt genutzt wurde.
D.h. das dauerhafte Surfen im Privat-Modus über Tage hinweg ist meiner Meinung nach auf Mobile realistischer als auf Desktop – und damit einhergehend all die Probleme für die Attribution.
Zahlen gefällig?
Wie stark der Privat-Modus tatsächlich die Attribution beeinflusst lässt sich leider nur sehr schwer messen. Bis Juni 2019 konnte man es mit ein paar “Hacks” teilweise noch herausfinden, aktuelle Lösungen funktionieren dagegen nur sehr unzuverlässig. Nichtsdestotrotz habe ich kürzlich zu Testzwecken für ein paar Tage einen solchen Private-Modus-Check auf everysize eingebunden. Um die Unzuverlässigkeit auszugleichen (z.B. funktioniert es nicht in Safari unter iOS 13) habe ich die ermittelten Zahlen statistisch hochgerechnet und kam damit auf eine Privat-Modus Rate von ca. 8%!